Es mag zunächst seltsam anmuten, wenn am Workshop-Tag die Teilnehmer statt Marker, Flip-Charts und Powerpoint-Folien einen großen Haufen Lego-Steine am Tisch vor sich haben. Was hier nämlich gleich geschehen wird, ist das spontane Abrufen von bereits vorhandenen unterbewussten Emotionen und Wissen über das Unternehmen. Was vermeintlich nach einem rein spielerischen Ansatz hipper Workshopkultur aussieht, entpuppt sich schnell als ernst zunehmender Ideenpool aus Antworten auf komplexe Fragen wie etwa: Wie agiert unser Unternehmen in 2025?
Seit unserer tiefgreifenden Erfahrung mit dem Prozess des „Service Design Thinking“ – ein Dank an dieser Stelle an die Tomorrow Academy von Anja Abicht – bin ich gegenüber einer Beschäftigung mit echten Materialien, die ganz old-school aus einer Bastellade kommen, schon sehr positiv eingestellt. Weg vom Computer und dafür wieder mehr spontanes Prototyping mit den Händen machen. Das aktiviert auch wesentlich mehr Regionen unseres Gehirns.
So funktionieren wir Menschen nun mal: Wir sind stark von unseren gesamten Wahrnehmungen geprägt – wir denken, wir fühlen, wir nehmen über all unsere Sinne wahr. Aus diesem Grund tauschen wir in der Agentur die Computer-Maus oft gegen große, beschreibbare Wände in unseren hehren Hallen, wenn es um Strategie und Konzepte geht. Und heuer sollte noch mehr „Begreifbares“ hinzukommen.
Steine zusammenstecken, um seinen Gedanken zur Problemlösung freien Lauf zu lassen
Eine simple Facebook-Anzeige der Kreativwirtschaft Austria, die dazu einlud, bei „Lego® Serious Play®“ mit Manuel Grassler, mitzumachen, reichte für mich aus. Die Methode wurde 1996 von LEGO® vorgestellt und in den letzten 20 Jahren tausendfach getestet und weiterentwickelt. Sie beruht dabei auf dem Konzept des „Hand-Wissens“. Das bedeutet, dass unsere Hände oft mehr wissen als wir glauben. Die Handmotorik ist mit 80% der Gehirnzellen verbunden und aktiviert diese Areale. Darum entstehen neue Erkenntnisse immer nur im Tun.
Extrem hohe Aufmerksamkeit und aktive Beteiligung bei LSP-Workshops
Das Seminar in Salzburg war schlichtweg die Steigerungsstufe für mich, da es ein paar wesentliche – teilweise auch unangenehme – Faktoren bei Workshops aushebelt: Man befindet sich in solchen Seminaren oft in einer Art Prüfungssituation, weil man in der Teilnehmerrunde seinen eingebrachten Anregungen möglichst eloquent und wirkungsvoll Ausdruck verleihen möchte. Dafür ist aber nicht jeder geschaffen bzw. ist es auch nicht jedermanns Komfortzone. Die, die am lautesten vorpreschen, werden dann normalerweise zu Ideengebern, wenngleich ihr Input vielleicht gar nicht so viel Impact hat, wie der von anderen, die lieber aus dem Hintergrund agieren.
Augenöffnend war für mich auch, dass die Aufmerksamkeitsspanne nie zu sinken begann, da die gebauten Modelle viel Neugierde auslösten und man gespannt auf die nächste Interpretation der Steine wartete.
6 Minuten zum Bauen von Visionen mit Perspektivenwechsel
Mittlerweile hat die Methodik dauerhaft in meinem Beratungsprozess Einzug gehalten. Das Feedback der Teilnehmer bestätigt mir, dass sie sich noch nie auf diese tiefgründige Art und Weise ausgetauscht haben. Um sich auf den Themenkreis rund ums Unternehmensleitbild „einschwingen“ zu können, gebe ich meinen Klienten eine Woche vor dem Workshop Unterlagen mit. Der später wertvolle Output kommt aber aus dem „Was-sich-die-Hände-denken“. Das dauert nicht viel länger als ein Musik-Titel aus der Playlist, die ich immer dabei laufen lasse.
Auch bei der anschließenden Reflexion der erarbeiteten Inhalte bleibt man im Spielbau-Modus. Das heißt, die einzelnen Konstruktionen werden von den anderen Teilnehmern umgebaut oder ergänzt. Man drückt sich also wieder über das Modell den anderen gegenüber aus und baut quasi seine Anregungen ein.
Nur aus Quantität kommt Qualität
Gerade bei der Zukunftsfrage von Unternehmen wirkt das Öffnen von Denkräumen besonders schwer – hat es doch so wenig mit dem zeitlich vereinnahmenden Tagesgeschäft zu tun. Meine bisherige Erkenntnis ist, dass es sehr stark auf die Qualität der Fragestellung ankommt, was am Ende des Tages an Erkenntnissen und Ergebnissen vorliegt. Denn schließlich bauen die Hände intuitiv die Antworten auf die gestellte Frage.
Fazit
Die gelbe Lego-Kiste, die unser Fensterbrett schmückt (und bei einigen Besuchern schon für Verwunderung gesorgt hat), wird ebenso fixer Bestandteil in unserem Angebot werden, wie die Macs unserer Designer. Was ich nun noch weiter sammeln werde, sind keine weiteren bunten Steine, sondern klug ausformulierte Fragen, die Herz und Hirn der Workshop-Teilnehmer treffen. In nächster Zeit werde ich wohl mehr und mehr zum „Fragen-Nerd“ mutieren – ist wie Pilze sammeln im Wald.
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